Franz. Meistersch. Sprint & Lang, 18./19.05. 2019 in Nancy

Proust oder à la recherche du temps perdu

Der Weltraum – unendliche Weiten – wir schreiben das Jahr 2019. Das sind die Abenteuer von VELBOSSITY (siehe dazu auch Die Abenteuer des Raumschiffes Enterprise), dessen Kapitän mit seinem Raumschiff Cannondale minutenlang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen. Viele Minuten von der Idealroute entfernt dringt VELBOSSITY in Galaxien vor, die noch kein MTBO-Fahrer je vor ihm gesehen hat.

Die diesjährige Wettkampfpremiere in Nancy brachte die Schwäche des Seniorenfahrers von VELBOSSITY wieder mal schonungslos an den Tag: diese Schwäche liegt nicht primär in den Beinen (siehe dazu auch Zitat (1:09 –  1:28) von Mentor Piitsch Müller: „When you go too fast with the bike then you loose the blood in the head and you make mistakes“). Zur Entschuldigung darf angeführt werden, dass man den ersten Posten ja gar nicht finden kann, wenn man sich nicht mehr auf der Karte und damit sozusagen in entfernten Galaxien befindet. Und hey, Liebe macht blind: auf dem Weg zum besagten Posten durfte der hormongesteuerte Möchtegern-Sprinter noch seine Gattin überholen. Wie ein junger, verliebter Gockel wollte er dabei seine Vitalität (oder wars die Virilität) unter Beweis stellen. Dabei schoss er allerdings weit, weit übers Ziel hinaus. Bis er dann vom Land weit, weit weg wieder zurück fand waren 12:52 vergangen. Vergleichbare Piloten bewältigten die Strecke in 3:15. Hätte man doch nur mal zählen (vier Wege oder zwei Masten…) können. Gelinde gesagt: eine zutiefst mediokre Leistung.

Immerhin konnte danach noch ein wenig die Tempofestigkeit getestet werden, da von hinten bald schon die WRE-Läufer aufschlossen bzw. auch vorbeischossen. Und das Fazit bleibt: die Schwäche liegt nicht primär in den Beinen!

Nach dem, abgesehen vom Resultat, sehr interessanten und vom Gelände her spannenden Sprint stand tags darauf die französische Meisterschaft in der Langdistanz an. Auf einem Hochplateau mit steilen Flanken gelang es dem Bahnleger, vor allem auf den zweiten Blick sehr interessante Bahnen zu legen. Auch Trail-Liebhaber kamen dabei voll auf ihre Kosten. Und erstaunlich: die Routen auf den Trails stellten sich gegenüber den Umfahrrouten zumindest bei trockenem Wetter als schneller heraus (Quizfrage: was wählte VELBOSSITY…?). Mit dem (ungefähr) 29-fachen Weltmeister Jean-Charles Lalevee war auch ein Konkurrent unterwegs, der die Messlatte entsprechend hoch zu setzen vermochte. Französischen Insidern zufolge gehört JCL vor allem zur absoluten Weltspitze, weil er absolut keine Fehler macht und immer auf der perfekten Idealroute unterwegs ist. Die Analyse zeigt es: neben zwei gröberen (sprich dümmeren) Fehlern (zusammen 4.5 Minuten) wurden vor allem bei den Routenwahlen von rund weiteren vier Posten je zwischen 15 – 40 Sekunden verschenkt (hier gehts zu den Routen, rot: VELBOSITY, grün IDEALROUTE, Posten 2-3 (40 Sek.), 3-4 (20 Sek.), 4-5 (2.5 Min), 5-6 (25 Sek.), 7-8 (2 Min, mehrmals anhalten), 10-11 (15 Sek), 11-12 (15 Sek), dazu auf 10  30 Sek.(nicht eingezeichnet).

Mit anderen Worten: es braucht einen fehlerfreien Lauf auf der Idealroute um den Nimbus von JCL anzugreifen. Grundsätzlich bleibt aber zu sagen: abgesehen von von 6.5 Minuten (davon 4.5 Minuten wirklich nicht zwingend) Verbesserungspotenzial hatte der Lauf von VELBOSSITY die Brillianz und die Klasse eines Ouevres des grossen französischen Schriftstellers Proust, eine Ode an die Kraft der Kombination, von einer seltenen Eleganz (OK, Zitat ist auszugsweise geklaut aus der NZZ vom 20. Mai 2019, Seite 39, „Gegen den Titelfavoriten ohne Chance“). Vielleicht wäre es hilfreich, die mühselige Lektüre von Prousts „À la recherche du temps perdu“ nicht schon nach Seite 10 abzubrechen, um endlich die verlorene Zeit zu finden und ein für allemal wegzusperren!

Hier gehts zu den Resultaten von Sprint und Langdistanz